Johann Christoph
Gottsched
Lebensdaten | Werk
Gottsched-Texte
im Netz
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2. Februar 1700 Juditten
(später Stadtteil von Königsberg)
+
12. Dezember 1766 Leipzig (Wassersucht)
Grabstätte:
Leipzig, Gruft der Paulinerkirche (Universitäts-Kirche); Sarg schon 1898 nicht mehr
vorhanden; Kirche 1968 gesprengt
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Bildquelle: Zeno.org
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Literatur-
und Sprachtheoretiker, Bühnenreformator, Dramatiker, Übersetzer, Herausgeber.
Dominierende
Figur in der Literaturszene der ersten Hälfte des 18. Jhs. Verfasser
einer Regelpoetik, in der er sich
hundert Jahre
nach Opitz im aufklärerisch-rationalistischen Geist um
eine Reform der deutschen Dichtung bemüht (Versuch einer Critischen Dichtkunst): gegen barocken
Schwulst; im Drama strenge Beachtung der drei aristotelischen Einheiten von Zeit, Ort und
Handlung; Einteilung der Stilebenen; Ständeklausel. Vorbilder sind die großen Griechen und
die französischen Klassiker (Corneille,
Racine, Molière; selbst verfasstes Musterdrama: Sterbender Cato). In Zusammenarbeit mit
der Theaterprinzipalin Caroline Neuber Bemühen, der herabgekommenen
Schauspielkunst beim bürgerlichen Publikum neues Ansehen zu verschaffen
(Vertreibung des "Hanswurst" von der Bühne; Entfernung von Musik und
Tanz, also Ablehnung der Oper). Gegen Fantasie, Geister und Wunder in der Dichtung: Kunst soll belehren;
statt Glauben steht Moral an erster Stelle.
Ab
1740 scharfer literarischer Konflikt mit den Zürcher
Professoren Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger; später mit der gesamten
Literaturszene Deutschlands (Lessing, Stürmer und Dränger, Romantiker). Der
ehemalige "Literaturpapst" wird zur lächerlichen Figur, zum
Inbegriff eines bornierten Pedanten. Gerechte Würdigung seiner Lebensleistung
erst seit der 2. Hälfte des 19. Jhs.
Sohn
des Pastors Christoph Gottsched (1668-1737) und seiner Ehefrau, der
Pfarrerstochter Anna Regina, geb. Biemann (1671-1763). Brüder: Johann Friedrich
(1704-1726), Johann Heinrich
(1706-1771), Johann Reinhold (1710-1759).
Erster
Unterricht beim Vater.
1735
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Eheschließung
mit Luise Adelgunde Victorie Kulmus (gen. Gottschedin; Arzttochter;
1713-1762)
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1765
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Zweite Ehe mit Ernestine Susanne Katharina Neunes (1746-1811)
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Wichtige Lebensdaten:
1714
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März: Immatrikulation an der Albertina, der Universität Königsberg. Auf
väterlichen Wunsch Studium der Theologie, dann Studienwechsel zur
Philosophie; Beschäftigung mit den Werken Gottfried Wilhelm Leibniz' und
Christian Wolffs.
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1718
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Druck der ersten Gelegenheitsgedichte.
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1719
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Verteidigung der ersten von insgesamt vier Dissertationen
(meteorologisch-physikalisches Thema).
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1723
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Magistertitel. Habilitation an der Universität Königsberg.
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1724
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Jan.: Drohende Zwangsrekrutierung durch preußische Werber: Zusammen mit
seinem Bruder Johann Heinrich Flucht nach Leipzig. - Freundschaft mit dem
Polyhistor Johann Burckhardt Mencke; Hofmeister und Bibliothekar bei Mencke.
Auf Vermittlung Menckes Mitglied in der Deutsch-übenden poetischen
Gesellschaft. - Okt.: Habilitation (Hamartigenia, sive de fonte vitiorum
humanorum) und Lehrerlaubnis.
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1725
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Vorlesungen über Schöne Wissenschaften und die Philosophie Christian
Wolffs.
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1725/26
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Herausgabe der moralischen Wochenschrift Die vernünftigen Tadlerinnen.
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1727
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Wahl zum Senior der Deutsch-übenden poetischen Gesellschaft, die er
in die Leipziger Deutsche Gesellschaft umbenennt. Beginn der
"Gottschedischen Diktatur." - Bekanntschaft mit dem
Theaterprinzipal Johann Neuber und dessen Ehefrau Friederike Caroline
(1697-1760); Beginn der Zusammenarbeit mit den
Neubers.
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1727/28
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Herausgabe der moralischen Wochenschrift Der Biedermann.
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1729
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Auf einer Reise in Danzig Bekanntschaft mit der 16-jährigen Luise Kulmus.
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1730
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Außerordentlicher Professor für Poesie.
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1732-44
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Herausgabe der literaturkritischen Zeitschrift
Beyträge zur critischen Historie der deutschen
Sprache, Poesie und Beredsamkeit.
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1734
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Ordentlicher Professor für Logik und Metaphysik.
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1735
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Heirat in Danzig.
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1738
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Erste Wahl zum Rektor der Universität. - Aufgrund von Unstimmigkeiten Austritt aus der Deutschen Gesellschaft.
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1741
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Bruch mit der Neuberin. - Anfang des Literaturstreits mit Bodmer und
Breitinger ("Zürcher Literaturstreit").
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1745-50
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Herausgabe der literaturkritischen Zeitschrift Neuer Büchersaal der schönen Wissenschaften und
freyen Künste.
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1749
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Reise nach Wien.
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1751-62
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Herausgabe der literaturkritischen Zeitschrift Das Neueste aus der anmuthigen Gelehrsamkeit.
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1752
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Gründung der Gesellschaft der freyen Künste.
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1756
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Fünfte und letzte Wahl zum Rektor der Universität.
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1757
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Okt.: Empfang bei Friedrich dem Großen in Leipzig.
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1761
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Mitglied des angesehenen Universitätskollegiums der Decemviri.
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1766
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Aug.: Ausbruch der Krankheit; 12.12.: Tod; 15.12. Bestattung.
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Werke:
(a
= Uraufführung)
Dramen
1732
(a 1731 Leipzig)
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Der
sterbende Cato. Ein Trauerspiel
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1741
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Atalanta oder Die bezwungene Sprödigkeit
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1745
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Die parisische Bluthochzeit König Heinrichs von Navarra
Agis. König zu Sparta
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Schriften
1729
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Grundriß zu einer vernufftmäßigen Redekunst (1743 Ausführliche Redekunst; 1759
Akademische Redekunst)
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1729
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Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen (1742 veränd.
3. Auflage; 1751 verm. 4. Aufl.)
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1733/34
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Erste Gründe der gesammten Weltweisheit (2 Teile; verm. Neuaufl.
1735)
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1736
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Ausführliche Redekunst. Nach Anleitung der alten Griechen und
Römer ...
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1740
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Grundriß einer Lehrart, erbaulich zu predigen
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1748
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Grundlegung einer Deutschen Sprachkunst
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1750
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Das erhöhte
Preußen, oder Friedrich der Weise
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1753
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Kern der Deutschen Sprachkunst (verm. Neuauflage 1757)
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1754
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Vorübungen der
Beredsamkeit
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1755
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Historische
Lobschrift auf Chrn. Frhrn. v. Wolf
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1756
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Vorübungen der
lateinischen und deutschen Dichtkunst
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1758
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Beobachtungen
über den Gebrauch und Misbrauch vieler deutscher Wörter und Redensarten
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1760
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Handlexikon oder Kurzgefaßtes Wörterbuch der schönen Wissenschaften und
freyen Künste
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1766
|
Erste Gründe der Vernunftlehre
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Gedichte
1736
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Gedichte
(hg. v. J. J. Schwabe, Leipzig: Breitkopf)
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1749
|
Neueste Gedichte
auf verschiedene Vorfälle
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1751
|
Neueste
Gedichte
(2 Bde.)
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1774
|
Der
Proceß. Ein Scherzgedicht
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Zeitschriften
1725/26
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Die Vernünftigen Tadlerinnen
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1727/28
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Der Biedermann
(2 Bde.)
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1732-44
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Beyträge zur critischen Historie der deutschen
Sprache, Poesie und Beredsamkeit (8 Bde.)
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1745-50
|
Neuer Büchersaal der schönen Wissenschaften und
freyen Künste (10 Bde.)
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1751-62
|
Das Neueste aus der anmuthigen Gelehrsamkeit
(12
Bde.)
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Sammlungen
1741-45
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Die
deutsche Schaubühne, nach den Regeln und Exempeln der Alten (6 Bde.)
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1754-56
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Sammlung einiger ausgesuchter Stücke
(3 Bde.)
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1757/65
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Nöthiger Vorrath zur Geschichte der deutschen Dramatischen Dichtkunst oder Verzeichniß aller
Deutschen Trauer- Lust- und Sing-Spiele [...] von 1450 bis zur Hälfte des jetzigen Jahrhunderts
(Bibliographie; 2 Teile)
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Reden
1729
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Die Schauspiele und besonders die Tragödien sind aus einer wohlbestellten Republik nicht zu
verbannen
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1739
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Lob- und Gedächtnißrede
auf den Vater der deutschen Dichtkunst, Martin Opitzen
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1740
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Zur Erfindung der Buchdruckerkunst
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1743
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Gedächtnißrede auf den unsterblich verdienten Dom
Herrn in Frauenberg, Nicolaus Copernicus
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1749
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Gesammlete
Reden
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Übersetzungen
(Auswahl)
1726
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Bernard Fontenelle: Entretiens sur la pluralité des mondes
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1727
|
Bernard
Fontenelle: Gespräche der Todten und Plutons Urtheil über dieselben
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1730
|
Heidnische
Orakel
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1729
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Horaz: Ars poetica
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1732
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Racine:
Iphigenia
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1741-44
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Pierre Bayle: Dictionnaire historique et critique (4 Bde.;
Mitübersetzer)
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1760
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C. A:
Helvétius: Discurs über den Geist des Menschen
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Herausgeberschaft
(Auswahl)
1728
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Oden der Deutschen Gesellschaft
in Leipzig
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1732
|
Der
Deutschen Gesellschaft in Leipzig gesammelte Reden und Gedichte
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1735
|
Der
Deutschen Gesellschaft in Leipzig Eigene Schriften und
Übersetzungen (2 Bde.)
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1738
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Der
Deutschen Gesellschaft in Leipzig Oden und Cantaten
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1744
|
G.
W. Leibniz: Theodicee
|
1744 |
Benjamin
Neukirch: Auserlesene Gedichte |
1763 |
L. A. V.
Gottschedin: Sämmtliche Kleinere Gedichte |
Werkausgaben
1903-06
|
Gesammelte Schriften,
hg. v. Eugen Reichel, Berlin: Gottsched (6 Bde.)
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1968-87
|
Ausgewählte Werke,
hg. v. Joachim u. Brigitte Birke, Berlin: de
Gruyter (12 Bde.)
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[Anweisung für den Dramatiker]
Der
Poet wählet sich einen moralischen Lehrsatz, den er seinen Zuschauern
auf eine sinnliche Art einprägen will. Dazu ersinnt er sich eine
allgemeine Fabel, daraus die Wahrheit eines Satzes erhellet. Hiernächst
suchet er in der Historie solche berühmte Leute, denen etwas ähnliches
begegnet ist; und von diesen entlehnet er die Namen für die Personen
seiner Fabel; um derselben also ein Ansehen zu geben. Er erdenket sodann
alle Umstände dazu, um die Hauptfabel recht wahrscheinlich zu machen;
und das werden die Zwischenfabeln, oder Episodia nach neuer Art,
genannt. Dieses theilt er dann in fünf Stücke ein, die ohngefähr
gleich groß sind, und ordnet sie so, daß natürlicher Weise das
letztere aus dem vorhergehenden fließt [...]
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