Johann Georg Hamann
Lebensdaten | Werk
Hamann-Texte
im Netz
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27. August 1730 Königsberg
+
21.
Juni 1788 Münster
Grabstätte:
Bestattung zunächst im Garten der Fürstin Gallitzin in Münster; später
Überführung auf den Überwasser-Friedhof |

Nach einem anonymen
Königsberger
Ölgemälde
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Erster
Sohn des Wundarztes und Baders Johann Christoph Hamann (1697-1766) und seiner Frau Maria
Magdalene, geb. Nuppenau (1699-1756). Neffe des spätbarocken Schriftstellers Johann
Georg Hamann (1697-1733). Unterricht bei drei verschiedenen Privatlehrern;
darauf Besuch der Gelehrtenschule. Auf persönlichem Tiefpunkt mit 28 Jahren
religiöses Erweckungs- und Selbsterkenntnis-Erlebnis, das zum Auslöser und
Bezugspunkt seines literarischen Schaffens wird. Armselige Lebensumstände. Bis 1767 unstetes Leben.
Wegen seines
dunklen, orakelhaften Stils "Magus im Norden" genannt
(zum erstenmal von Friedrich Karl von Moser; Anspielung auf Hamanns Schrift Die
Magi aus dem Morgenlande, 1760). Keine systematische Darlegung seiner
Ansichten; die meisten der Schriften sind dementsprechend von aphoristischer
Natur und recht kurz. Hamann selbst nennt seine Ausdrucksweise "verfluchten
Wurststil": "Wahrheiten, Grundsätzen, Systemen bin ich nicht
gewachsen. Brocken, Fragmente, Grillen, Einfälle."
Umfangreicher
Briefwechsel
mit bedeutenden Männern seiner Zeit: Herder, Lavater, Friedrich Heinrich
Jacobi, Claudius.
1767
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(nicht
legalisierte) "Gewissensehe" mit Anna Regina
Schumacher (1736-1789); vier Kinder.
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Christlich-philosophischer
Schriftsteller, dessen Wurzeln im Pietismus liegen. Sehr
belesen, profunde Kenntnisse auf dem Gebiet der Philologie und Sprachforschung.
Als "Prediger in der Wüsten" (1784)
Wegbereiter des Sturm und Drang. Kampf gegen den Rationalismus der Aufklärung; "Volksseele"
als Quelle der Kultur; Glauben und Gefühl steht gegen Denken, Innigkeit des
religiösen Empfindens gegen rationale Wissenschaft. Zwar mit Kant persönlich
befreundet, aber Gegner seiner Prinzipien. "Die Furcht des Herrn ist der
Weisheit Anfang, und seine evangelische Liebe der Weisheit Ende." Poesie
als "Muttersprache des menschlichen Geschlechts" (Aesthetica
in nuce, 1761 e). Sokratisches Nichtwissen (Sokrates verlässt sich nicht
auf Verstandesgründe, sondern auf seinen Genius) und Bezug auf Christus
bestimmen H.s. Geniebegriff. Großer Einfluss vor
allem auf den jungen Herder, der von 1762 bis 1764 in Königsberg studiert.
In seinen politischen Schriften (auf Französisch abgefasst) Kritik an der Politik Friedrichs des Großen.
Wichtige Lebensdaten:
1746
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Studium der
Theologie an der Universität
Königsberg; danach Wechsel zur Rechts- und Staatswissenschaft;
Beschäftigung mit Philosophie und Philologie.
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1749-50
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Herausgabe der
Wochenschrift Daphne (zusammen mit Johann Gotthelf Lindner, Johann
Friedrich Lauson, 1727-1783, und Johann Christoph Berens, 1729-1792).
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1752
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Ohne
Studienabschluss Hofmeister in Livland und Kurland.
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1756
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Annahme eines
Angebots des Jugendfreundes: Anstellung beim
Rigaer Handelshaus Berens. Tod der Mutter.
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1757
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Geschäftsreise über Königsberg,
Berlin
(Bekanntschaft mit Moses Mendelssohn, Johann Georg Sulzer, Karl Wilhelm
Ramler), Lübeck, Hamburg, Amsterdam nach London. Der Auftrag misslingt, da H.
die erforderlichen Kenntnisse fehlen: Sein Versagen, schlechte
Gesellschaft und finanzielle Schwierigkeiten führen zu einer persönlichen
Krise.
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1758
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März: Lebenswende durch
intensives Bibelstudium hin zum radikalen Christen pietistischer Prägung.
Sommer: Rückkehr nach Riga. Gespanntes
Verhältnis zu Johann Christoph Berens; Dez.: Werbung um dessen Schwester
Katharina scheitert.
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1759
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Jan.: Rückkehr nach Königsberg
ins Vaterhaus. Studium der Bibel, Luthers, der antiken Literatur und
orientalischer Sprachen. Sommer: Berens und Kant versuchen H. für die Aufklärung
zurückzugewinnen. Antwort: Sokratische Denkwürdigkeiten, mit
denen H.s Schriftstellerei beginnt.
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1762
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Beginn der
Freundschaft mit Herder, den er in die englische Sprache und Literatur
einführt. Vergebliche Anstellungsbemühungen beim Magistrat und der
Kriegs- und Domänenkammer. Fürsorge für den schwachsinnigen Bruder und
den kranken Vater; Magd und Pflegerin des Vaters ist das Bauernmädchen Anna
Regina Schumacher.
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1764
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Auf Einladung
Friedrich Karl von Mosers (1723-1798; Ministerpräsident von
Hessen-Darmstadt) Reise nach Frankfurt am Main; die Möglichkeit
einer Anstellung als Erzieher am herzoglichen Hof zerschlägt sich, weil
sich Moser auf einer Auslandsreise befindet.
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1764-79
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Rezensionen für die Königsbergschen
Gelehrten und Politischen Zeitungen.
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1765
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Sekretär in Mitau beim
Rechtsanwalt Tottien. Reise nach Warschau.
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1766
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Tod des Vaters.
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1767
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Jan.: Rückkehr nach Königsberg. Auf
Vermittlung Kants Übersetzerstelle bei der preußischen Zollverwaltung.
"Gewissensehe" mit Anna Regina Schumacher.
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1769
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Sept.: Geburt des ersten Kindes;
schwierige wirtschaftliche Lage.
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1772
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Wiederaufnahme der
Verbindung mit Herder.
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1777
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Stellung als
Packhofverwalter.
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1778
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Tod des Bruders.
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1784
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Sommer: Franz
Kaspar Bucholtz, Verehrer von H.s Schriften und Eigentümer eines
Landsitzes bei Münster, bittet H. brieflich, ihn als Adoptivsohn
anzunehmen. Als H. ihm seine verzweiflungsvolle wirtschaftliche Lage
darlegt, weist Bucholtz ein bedeutendes Geldgeschenk an (Nov.; 4 000
Taler). Durch Bucholtz
wird die (katholische) Fürstin Amalie von Gallitzin (1748-1806) in Münster
auf H. aufmerksam.
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1787
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Wiederholte Urlaubsgesuche,
um die Gönner zu besuchen, werden mit der Versetzung in den Ruhestand
beantwortet. Zusammen mit dem Sohn Michael und seinem Arzt Abreise nach Westfalen;
Mitte Juni: H. trifft krank in Münster ein. Aug. - Okt.: in Pempelfort
bei Jacobi. Winter: schwer krank in Bucholtz' Wasserburg zu Wellbergen.
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1788
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März:
Rückkehr nach Münster. Geistlicher Berater der Fürstin Gallitzin. Unmittelbar vor der
geplanten Rückreise nach Königsberg Tod in Münster;
Begräbnis im Garten der Fürstin Gallitzin (katholisches Münster ohne
protestantischen Friedhof); später Beisetzung auf dem
Überwasser-Friedhof in Münster.
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Werke:
(e = entstanden)
Gedichte
1751 |
Freundschaftlicher
Gesang auf die Heimkunft des Herrn |
1760 |
Klaggedicht,
in Gestalt eines Sendschreibens über die Kirchenmusik |
Schriften
(Auswahl)
1758 e
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Biblische Betrachtungen
eines Christen
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1759
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Sokratische Denkwürdigkeiten
für die lange Weile des Publicums
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1760
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Vermischte
Anmerkungen über die Wortfügung in der französischen Sprache
Versuch über eine akademische Frage. Vom Aristobulus
Die Magi aus dem Morgenlande, zu Bethlehem
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1761
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Wolken. Ein
Nachspiel SokratischenrDenkwürdigkeiten
Vermischte Anmerkungen über die Wortfügung
der französischen Sprache
Abaelardi Virbii Chimär. Einfälle über den zehnten Theil der Briefe die
Neueste Litteratur betreffend
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1762
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Kleeblatt hellenistischer Briefe
Aesthetica in nuce, eine Rhapsodie in kabbalistischer Prosa
Schriftsteller und Kunstrichter
Leser und Kunstrichter
Essais à la mosaique
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1763
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Fünf Hirtenbriefe das Schuldrama betreffend
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1772 e
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Philologische Einfälle und Zweifel über eine
akademische Preisschrift
Au Salomon de Prusse
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1772
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Zwo Recensionen betreffend den Ursprung der
Sprache
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1772 |
Des Ritters von Rosencreuz letzte Willensmeynung über den göttlichen und
menschlichen Ursprung der Sprache |
1773
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Neue Apologie des Buchstabens h
Lettre perdue d'un sauvage du nord à un financier de Pe-kîm
Selbstgespräch eines Autors
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1774
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Le Kermes du
Nord ou la Cochenille de Pologne
Christiani Zacchaei Telonarchae Prolegomena über die neueste Auslegung
der ältesten Urkunde
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1775
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Briefe
über Asmus' Werke
Vettii Epagathi Regiomonticolae hierophantische
Briefe
Versuch einer Sibylle über die Ehe
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1776
|
Zweifel und Einfälle über eine vermischte
Nachricht der allgemeinen deutschen Bibliothek
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1777 e
1929
|
Schürze von Feigenblättern (Frgm.)
|
1779
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Konxompax. Fragmente einer
apokryphischen Sibylle
über apokalyptische Mysterien
|
1780
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Zwey Scherflein zur neuesten Deutschen
Litteratur
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1784
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Golgatha und
Scheblimini! Von einem Prediger in
der Wüsten
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1784 e
1800
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Metakritik über den Purismum der Vernunft
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1786
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A-O!
Entkleidung und Verklärung. Ein Fliegender
Brief an Niemand, den Kundbaren (Frgm.)
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1816 |
Betrachtungen
über die heilige Schrift (2 Teile) |
Sammelband
1762
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Kreuzzüge des Philologen
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Autobiographisches
1759
|
Gedanken über meinen Lebenslauf
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Übersetzungen
1756 |
Des
Herrn von Dangueil Anmerkungen über die Vortheile und Nachtheile von
Frankreich und Großbritannien |
1770 |
Ferdinando
Warners vollständige ... Beschreibung der Gicht |
1774 |
Heinrich
St. Johann Vitzgraf Bolingbroke und Jacob Hervey |
Werkausgaben
1819
|
Sibyllinische
Blätter des Magus im Norden, hg. v. Friedrich Cramer, Leipzig:
Brockhaus
|
1821-43
|
Schriften,
hg. v. Friedrich Roth u. G. A. Wiener, Berlin: Reimer (8 Teile)
|
1905
|
Neue
Hamannia. Briefe und andere Dokumente, hg. v. H. Weber, München: Beck
|
1949-57
|
Sämtliche Werke, hist.-krit. Gesamtausgabe,
hg. v. Josef Nadler, Wien: Herder (6 Bde.)
|
1955-79
|
Briefwechsel,
hg. v. Walther Ziesemer und
Arthur Henkel, Wiesbaden/Frankfurt: Insel (7 Bde.)
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Internationales
Hamann-Kolloquium
Poesie ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts; wie der
Gartenbau älter als der Acker, Malerei als Schrift, Gesang als
Deklamation, Gleichnisse als Schlüsse, Tausch als Handel. Ein tieferer
Schlaf war die Ruhe unserer Urahnen und ihre Bewegung ein taumelnder
Tanz. Sieben Tage im Stillschweigen des Nachsinnens oder Erstaunens
saßen sie - und taten ihren Mund auf - zu geflügelten Sprüchen.
(Aesthetica in nuce, 1762) |
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